
Postkarte
Eigentlich wollte ich Sie in dieser Folge auf eine Currywurst einladen.
Doch leider geht das nicht, denn dass „Currywurst-Museum“ in der Nähe des „Checkpoint Charly“ hat für immer zugemacht.
Wie sagt man da so schön. Ein Satz mit X, dass war wohl nix.
Also landete der fertige Artikel im Papierkorb und ich mußte kurzfristig etwas Neues finden.
Ich überlegte und als ich den Artikel zum 90. Geburtstag der BVG am 1. Januar las, hatte ich den Ersatz gefunden.
Ich möchte Sie heute zu einem Gebäude entführen, dass man nun nicht als Sehenswürdigkeit einstufen würde, aber es steht in der Berliner Landesdenkmaldatenbank. Dieser riesige Häuserkomplex steht für einen Teil der Berliner Verkehrsgeschichte. Er befindet sich im Charlottenburger Ortsteil Westend in der Königin-Elisabeth-Straße.
Ich hatte dort ein Termin und wollte danach mit der U‑Bahn vom Kaiserdamm zum Breitscheidplatz fahren. So lief ich die Straße in Richtung Messegelände hinunter. An der Kreuzung Königin-Elisabeth-Straße und Knobelsdorffstraße mußte ich an der Ampel warten. Und da standen sie. Zwei überlebensgroße Skulpturen, nackt und sehr monumental.
Ich blickte die Knobelsdorffstraße hinunter, die zum Olympiastadion führt. Rechts und links sah ich zwei achtstöckige Torbauten. An sie schloßen sich zu beiden Seiten der Straße je ein fünfstöckiger langgezogener Wohnblock an. Ein glatte Front, nur von vorstehenden Balkons unterbrochen, ohne irgendwelche architektonischen Verzierungen.
Als ich weiter zum U‑Bahnhof lief, fragte ich mich was das für ein Bau war. Ein Stück weiter stand ich vor einer großen Einfahrt über der zwei Werbetafeln hingen, die auf einen Fahrradladen und einen Supermarkt hinweisen. Als ich durchging, blickte ich auf einem riesigen Innenraum, der teilweise als Parkplatz genutzt wurde und in dem eine große Halle stand. Das besondere an diesem Innenhof war, das er von allen vier Seiten komplett von Wohnhäusern umbaut war.
Ich war neugierig.
Bei einer Tasse Kaffee im Supermarkt, googelte ich und sammelte Informationen.
Ich befand mich auf dem ehemaligen Straßenbahn-Betriebshof Charlottenburg, der 1930 eröffnete wurde. Die umgebaute Halle mit Supermarkt und Fahrradladen, war einst eine dreischiffige Wagenhalle, in der auf 29 Gleisen über 320 Straßenbahnwagen abgestellt werden konnten.
Die gesamte Anlage hatte eine Größe von gut 27500 qm, allein das Straßenbahndepot ist rund 12000 qm groß. Und in den Häusern drumherum gab es damals Wohnungen für 400 Familien von Angestellten der BVG, die 1929 gegründeten worden war.
Wenn Sie sich alte Fotos anschauen, stellen Sie fest, hier muß Tag und Nacht jede Menge Betrieb gewesen sein. Ich fragte mich wie laut es damals gewesen sein mag, wenn zu jeder Tageszeit Straßenbahnen quietschend ein- und ausfuhren.
Für uns ist es heute schwer vorstellbar, dass einst durch ganz Berlin Straßenbahnen fuhren. Diese wurden leider in den sechziger Jahren zu Gunsten der Busse in Westberlin abgeschafft.
Aber Ironie der Geschichte, die Straßenbahn soll bald wieder im Westteil von Berlin fahren.
Die Größe diese Wohnanlage mit dem ehemaligen Straßenbahn-Betriebshof beeindruckt. Dieser Bau beweist mal wieder, wenn man in Berlin „hinter die Kulissen“ schaut, gibt es viel Interessantes zu entdecken.
Noch einmal zu den beiden Skulpturen an der Kreuzung Königin-Elisabeth-Straße und Knobelsdorffstraße. Diese wurden 1928 von dem österreichischen Künstler Josef Thorax geschaffen. Sie tragen den Titel „Arbeit und Heim“. Der Mann ist die Arbeit und die Frau mit dem Kind steht für das Heim. Dass einzige was sich mir bei ihren Anblick nicht erschließt ist, warum alle drei Figuren nackt sind. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Aber man wird doch wohl noch mal fragen dürfen. Oder ?
Infokasten:
Ehemaliger Betriebshof Charlottenburg
Königin-Elisabeth-Straße 9 — 31
14059 Berlin
Anfahrt:
U- Bahn U2
Station : Kaiserdamm (noch nicht barrierefrei)
Bus Linie 139
Station U- Bahnhof Kaiserdamm
Fußweg ca. 150 Meter die Königin — Elisabeth — Straße hinein.
Gut berollbar
erschienen in der BBZ — Der Berliner Behindertenzeitung 02/2019